Stadtmarketing-Gesellschaften haben fast alle größeren Städte in der Region, und fast alle haben eines gemeinsam: Sie leiden unter chronischer Geldknappheit. Mit wenig Mitteln macht die Stadtmarketing-Gesellschaft Herne daraus eine ganze Menge.

Hernes Stadtmarketing-Chef Holger Wennrich setzt dabei auf Alleinstellungsmerkmale, eine eigene Stadtmarke und rät: Man sollte sich auf eine bestimmte Stärke fokussieren – wie etwa die Cranger Kirmes. In einem Interview verrät er uns, wie man aus wenig viel machen kann.

Lieber Herr Wennrich, Herne ist – was die Fläche angeht – nach Offenbach die zweitkleinste Großstadt Deutschlands. Da ist es nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, sich eine Stadtmarketing-Gesellschaft zu gönnen, oder?

Leben von der Hand in den Mund: Hernes Stadtmarketing-Chef Holger Wennrich. Foto: Stadtmarketing Herne

Holger Wennrich. Foto: Stadtmarketing Herne

Holger Wennrich: „Herne ist einem gewissen Trend gefolgt. In den Nuller Jahren hat sich das gesamte Ruhrgebiet nahezu zeitgleich dazu entschlossen, Stadtmarketing-Gesellschaften zu gründen.

Die Städte verstanden sich als Konzerne, und Konzerne haben nun mal eine Marketing-Abteilung. Was man dabei vielleicht vergessen hat: Die Marketingabteilung von, sagen wir mal, BMW ist halt auch mit einem üppigen Budget ausgestattet.“

…womit wir schon bei einem schwierigen Thema wären…

Holger Wennrich: „Klar, man hat Geld investiert, aber für ein großes Werbe-Budget war bei weitem nicht genug da. Stattdessen war und ist Stadtmarketing im Ruhrgebiet als ppp gedacht – public private partnership. Aber auch auf diesem Weg kam vergleichsweise wenig Geld rein. Das Budget ist für eine Gesellschaft mit sieben Mitarbeitern wie bei uns gerade ausreichend.“

Und nun?

Holger Wennrich: „Wir haben selbst Möglichkeiten gefunden, Geld zu verdienen. Stichwort Crangepass … …“

Dies ist ein Ersatzgeld für Fahrgeschäfte bzw. Gastronomie auf der Cranger Kirmes?

Holger Wennrich: „Ja. Den haben wir 2006 entwickelt, und er war dann relativ schnell erfolgreich am Markt. Der Gewinn wird dann, wie bei einem Profitcenter, für Werbung weiterinvestiert.“

Trotzdem schwimmen Sie nicht gerade in Geld, oder?

Holger Wennrich: „Es ist immer auf Kante genäht. Wir haben eigentlich nie genug Geld, um angemessen Werbung für diese Stadt produzieren zu können. Wie andere Stadtmarketinggesellschaften im Ruhrgebiet leben auch wir von der Hand in den Mund.“

Sie können auch immer nur für ein paar Jahre im Voraus planen.

Holger Wennrich: „Genau. Fünf Jahre. Weil genau für diesen Zeitraum die so genannte Nachschusspflicht der Gesellschafter besteht. Wenn zum Beispiel Reifen Stiebling für fünf Jahre unterschreibt, sind für diese Zeit die Gelder sicher. Danach überlegt die Gesellschafterversammlung, ob sie für weitere Jahre Nachschüsse vereinbart. Das muss sie jedoch nicht.“

Im Stadtfilm heißt es: „Hernes Schönheit erschließt sich vielen nicht auf den ersten Blick.“ Wo sollte man denn genauer und öfter hinschauen?

Holger Wennrich: „Auf die Stadtparks. Den Gysenberg. Es gibt schöne Wohnsiedlungen wie Teutoburgia, oder das Dichterviertel, die Innenstädte, mit ihren Jugenstilfassaden. Wahrscheinlich verbindet man im Ruhrgebiet Schönheit aber auch mit etwas anderem als die Menschen im Schwarzwald. Zum Beispiel mit Industriekultur wie bei dem schönen Flottmanngebäude.“

Herne ist ja nun gebeutelt von einem nicht übermäßig tollen Image, man denke an die berühmten Rankinglisten, wo man in unschöner Regelmäßigkeit weit hinten landet. Da ist der Marketing-Mann erst recht gefordert…

Holger Wennrich: „Der Marketing-Mann allein kann es sowieso nicht richten. Eine Stadt ist ein komplizierter Organismus, der nur als Ganzes funktionieren kann. Politik, Verwaltung, Bürger, Gesetze usw. müssen miteinander harmonieren und auf ein Ziel hinsteuern. Das Entgegenwirken ist überdies schwierig, weil es mit dem limitierenden Faktor Geld zu organisieren ist.“

Das muss einen doch wahnsinnig machen.

Holger Wennrich: „Ja, man wird manchmal ohnmächtig, weil es einfach ungerecht ist. Oft werden solche Bewertungen nicht im Gesamtkontext getroffen. Ein Beispiel: Wenn ich eine Oper sehen will, gucke ich nicht in die Gelben Seiten von Herne, sondern fahre in eine der Nachbarstädte, weil wir schließlich in einer arbeitsteiligen Region leben. Es wäre doch unsinnig, Geld für ein Opernhaus in Herne aufzuwenden. Aber dann wird uns zur Last gelegt, dass Attraktionen fehlen.“

Sagen Sie doch in aller Kürze drei Dinge, warum ich – wenn ich nicht eh schon hier wohnen würde – nach Herne ziehen sollte.

Holger Wennrich:

  1. Herne bietet ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis beim Wohnen
  2. Es gibt top-Verkehrsanbindungen
  3. Herne bietet ein auffallend ambitioniertes Portfolio an kultureller Software

Sie meinen: Kultur in bestimmten Spartenbereichen.

Holger Wennrich: „Genau. Um einige Beispiele zu nennen: Die Tage Alter Musik im klassischen Sektor. Oder ein ganz anderes: Das Tanztheater Pottporus, das weltweit unterwegs und bekannt ist, die Kunstmesse KUBOSHOW, das Literaturhaus, wo wirklich namhafte Autoren auftreten, sind herausragende Beispiele. Diverse Formate in den Flottmannhallen. Und, und, und.“

„Kultur und Sehenswertes“: In Herne gibt es deutlich mehr Attraktionen, als man vermuten könnte. Die gleichnamige Broschüre stellen hier Holger Wennrich, Astrid Jordan und Dr. Alexander Christian (v.l.) von der Herner Stadtmarketinggesellschaft vor. Foto: Svenja Hanusch / Funke Foto Services

„Kultur und Sehenswertes“: In Herne gibt es deutlich mehr Attraktionen, als man vermuten könnte. Die gleichnamige Broschüre stellen hier Holger Wennrich, Astrid Jordan und Dr. Alexander Christian (v.l.) von der Herner Stadtmarketinggesellschaft vor. Foto: Svenja Hanusch / Funke Foto Services

Sie haben in den letzten Jahren versucht, Herne Alleinstellungsmerkmale zu verpassen. Zum Beispiel mit der Stadtmarke „Mit Grün. Mit Wasser. Mittendrin.“ Wie bewerten Sie den Erfolg?

„Mit Grün. Mit Wasser. Mittendrin.“ So lautet Hernes Stadtmarke. Warum, verdeutlicht dieses Bild vom „Herner Meer“. Foto: Hans Blossey / Funke Foto Services

Holger Wennrich: „Das hat hervorragend funktioniert, weil das Ergebnis auf Bürgerbeteiligung fußt. Wir haben fast 5000 Vorschläge aus der Bevölkerung erhalten, was in Herne positiv ist. Erwartet haben wir nur 150.

Wir haben das dann sortiert und in einem zweiten Step ebenfalls über Bürgerbeteiligung bewerten lassen, anstatt Agenturen damit zu beauftragen. Den Slogan haben wir dann so entwickelt, weil er nachvollziehbar sein sollte und nicht von missgünstigen Stimmen widerlegt werden konnte.“

Was können größere Städte vom kleinen Herne lernen?

Holger Wennrich: „(denkt nach) Vielleicht, dass man sich auf eine bestimmte Stärke fokussiert. Große Städte wollen oft in ganz vielen Belangen stark sein. Das nehme ich denen aber nicht ab.

Wir haben gut daran getan, uns stark auf die Cranger Kirmes zu konzentrieren. In Bezug auf die mediale Präsenz hat die Kirmes ganz deutlich zugelegt. In den letzten acht Jahren allein im Print von sechs Millionen auf aktuell 28 Millionen redaktionelle Kontakte. Ganz zu schweigen von den steigenden TV und Radiobeiträgen.“

Was halten Sie von der Idee, Olympia 2032 an Rhein und Ruhr steigen zu lassen?

Holger Wennrich: „Die WM hat mit ihren Austragungsorten im Ruhrgebiet gezeigt, dass wir Großveranstaltungen können. Nun bin ich nicht der ausgewiesene Fachmann für Olympia, aber das Problem in Olympiastädten scheint die Nachhaltigkeit zu sein. Ich weiß nicht, ob in Lake Placid im Winter immer noch der Tourismus brummt. Man sollte sich hüten, Sportstätten hochzuziehen, die dann später funktionslos dastehen.“

Wo könnte Herne profitieren?

Holger Wennrich: „In puncto Mobilität und Hotellerie zweifellos, weil das Zentrum des Ruhrgebietes sind. Wahrscheinlich fehlen uns die adäquaten Sportstätten. Rudern auf dem Kanal könnte vielleicht ein Thema sein. Und wir richten ja nächstes Jahr in Wanne-Süd die Minigolf-WM aus. (lacht) Vielleicht kann man die Disziplin ja bis 2032 olympisch machen.“

Vielen Dank für das Interview Herr Wennrich!