Crowdfunding ist ein Trend, der in Deutschland seit 2011 stetig anwächst. Hier geht es darum, eigene Projekte über Spenden zu finanzieren.

Dazu wird auf einer Online-Plattform ein Spendenaufruf gestartet, der sich prinzipiell an die Crowd, also die Masse der Internetuser, wendet.

Mehrere Leute schmeißen zusammen Geld in eine Kiste

Foto: Miriam Dörr – Fotolia.com

Was hat es mit dem Verfahren auf den gängigen Plattformen aber genau auf sich? Und hält das Crowdfunding auch Perspektiven für mein Unternehmen bereit? Auf diese Fragen gehe ich in diesem Blogpost ein.

Die Plattformen

Es gibt eine Vielzahl von Plattformen, über die man das Crowdfunding betreiben kann; startnext.com oder sciencestarter.de sind zwei davon.

Während startnext.com eher eine Plattform für künstlerisch kreative Projekte ist, eignet sich sciencestarter.de vielmehr für wissenschaftliche Projekte.

8,7 Millionen Euro wurden über die Plattformen 2014 generiert, das zeigt das Interview mit Robert Michaels von der Kanzlei Dentons. Er berät übrigens verschiedene Crowdlending-Plattformen und weiß wovon er spricht.

Sinn macht es auch einen Blick auf die Plattformteilnehmer zu werfen: Vor allem junge Unternehmer, aber auch Künstler nutzen das Crowdfunding, um ihre Projekte an den Start zu bringen. Dabei ist das Prinzip recht simpel.

Die Crowd, also die Masse der Internetuser, wird zum Investor, denn jeder stellt einen kleinen Betrag zur Verfügung, für den er im Fall eines erfolgreichen Projektausgangs auch etwas bekommt. Dies kann ein Exemplar des Produktes sein oder ein besonderes Goodie, wie etwa ein Treffen mit dem Entwickler, Sondereditionen u.v.m.; meist hängt es von der Höhe der Investition ab.

Junge Unternehmer und das Investoren-Dilemma

Stellen Sie sich nun bitte folgendes Szenario mit einer fiktiven Figur – wir nennen sie Peter – vor: Peter hat ein Ingenieursdiplom in der Tasche und eine revolutionäre Idee im Kopf: Zusammen mit ein paar Freunden möchte er ein modernes Gadget entwickeln, sagen wir der Einfachheit halber, es handelt sich um ein digitales Halsband.

Dieses Hundeaccessoire übermittelt dem Benutzer via App aktuelle Daten wie den Aufenthaltsort und die Stimmung des Tieres aufs Smartphone. Digileash soll sie heißen und dem Besitzer Statusupdates durchgeben.

Das könnte so aussehen: Rex liegt entspannt im Wohnzimmer und schläft. Raumtemperatur 22 Grad Celsius. Das klassische Prozedere – einen Industriepartner zu finden – hat er bereits versucht.

Die Hundezubehörindustrie hat kein Interesse, weil sie nichts von “digitalen Spielereien” hält. Handyhersteller finden den möglichen Absatzmarkt zu klein und dafür die Entwicklungskosten zu hoch. Außerdem vertraut man sein Geld generell nur sehr ungern einem Unbekannten an, dessen Erfolgspotenzial sich nur schwer einschätzen lässt.

Wie funktioniert die Investorensuche übers Internet?

Genau für diesen Markt bzw. diese Zielgruppe sind die Crowdfunding-Portale gedacht.

Peter produziert noch einen witzigen Videoclip, in dem er erzählt, warum sein Produkt außergewöhnlich wird und warum jeder moderne Hundebesitzer ein Digileash braucht. Da sich das Produkt an Investoren wendet, die auch gleichzeitig Nutzer und Zielgruppe sind, ist das Video voller Anwendungsbeispiele. Außerdem ist es mit vielen Aufnahmen glücklicher Hunde zu Hause und deren beruhigter Besitzer am Arbeitsplatz gespickt.

Im nächsten Schritt entwickelt er verschiedene Investorenmodelle:

  1. Unterstützer und Sympathisanten für 5€ – sie erhalten einen Sticker mit dem Aufdruck „I helped Digileash come to life“.
  2. Je ein Standardmodell Digileash für 99€. Das Produkt wird nach Abschluss der Entwicklung zugesandt.
  3. Ein Premiummodell Digileash für 139€ mit Strassapplikationen und Bluetoothunterstützung fürs Gassigehen.
  4. Ein Premiummodell, dazu ein Abendessen mit dem Entwickler und einen unvergesslichen Ausflug in eine Welpenschule, die Digileash testet, für 299€.

Es wird eine zu erreichende Zielsumme und ein Zeitrahmen festgelegt. Peter möchte 15,000€ in einem halben Jahr sammeln. Wenn alles klappt und er die Summe zusammen bekommt, kann er nach dieser Zeit anfangen, zu arbeiten.

Falls nicht, erhalten die Investoren ihr Geld zurück.

Kein „Funding“ ohne Marketing

Auf was muss unsere fiktive Figur Peter nun achten?

Jetzt kommt das Marketing zum Zuge. Denn einfach ein Produkt neben hunderte anderer auf die Webseite des Crowdfundingportals zu stellen, erreicht sicher nicht die benötigte Zahl an Hundefans. Die Menschen müssen ja erst einmal von seiner Idee erfahren.

Weil es sich um eine smartphoneaffine Klientel handelt, entscheidet sich Peter für eine Mischung aus viralem Marketing und einer Social Media Kampagne. Virales Marketing heißt in seinem Fall, dass das Präsentationsvideo, auf dem er sein Produkt vorstellt, nicht nur über das Crowdfundingportal zugänglich ist, sondern auch über Youtube, die größte Videoplattform im Web.

Da das Video mit entsprechenden Schlagworten versehen ist, nach denen technikbegeisterte Hundebesitzer suchen könnten, hofft er so, dass möglichst viele User sein Video sehen, weil sie etwa nach dog surveillance gegoogelt haben.

Der Suchbegriff dog surveillance sagt es ja schon: Wir bewegen uns in diesem Fall hauptsächlich im Englischen, denn das Produkt soll ja international vermarktet werden.

Unter dem Video findet der geneigte Interessent den Link auf die Crowdfunding-Seite des Projektes. Außerdem verbreitet er den Link über seine eigenen Facebook– und Google+-Seiten unter seinen privaten Kontakten, von denen es einige auf ihrer eigenen Site teilen, um ihrem Freund zu helfen.

Jetzt macht sich bezahlt, dass das Video witzig und voller süßer Hundewelpen ist, denn so etwas teilen viele User einfach gerne – auch wenn sie keinen Bezug zum beworbenen Produkt haben. Außerdem nimmt Peter etwas Geld in die Hand, um noch mehr Aufmerksamkeit zu generieren.

Dies geschieht beispielsweise über Facebook. Hier kann er auch schon mit einer “studentenfreundlichen” Summe von einigen Euro (natürlich sind die Beträge und damit die Verbreitungshäufigkeit nach oben offen) eine Anzeige schalten. Bei der Zielgruppenauswahl entscheidet er sich für hauptsächlich für weibliche User zwischen 18 und 39.

Jetzt heißt es Daumen drücken und mit Statusupdates (z.B. auf Facebook) á la „Schon 25% geschafft – euer Hund wird es euch danken!“ im Bewusstsein der Interessenten zu bleiben.

Crowdfunding für etablierte Unternehmen

Auch wenn es für kleine Startups angedacht war, die sonst nicht an Startkapital kommen konnten, lohnt sich der Blick über den Tellerrand auch für bereits erfolgreiche Firmen.

Crowdfunding kann dabei ein Marktforschungsinstrument sein: Es ermittelt sehr direkt die Bereitschaft des Publikums, sich mit einem neuen Produkt anzufreunden und vor allem Geld dafür auszugeben. Wer schon ein gewisses Standing am Markt hat, profitiert dabei von seiner bereits bestehenden Glaubwürdigkeit und Bekanntheit seiner Marke.

So lässt sich auch ein Projekt in Angriff nehmen, das unter normalen Kriterien dem Aufsichtsrat schlecht schmackhaft zu machen wäre, weil es zu gewagt oder zu modern scheint. Selbstverständlich sind dabei allzu riskante Projekte zu vermeiden.

Falls die Kampagne große Aufmerksamkeit, aber nur wenig Investitionsbereitschaft nach sich zieht, droht im schlimmsten Fall ein Imageschaden. Etablierte Unternehmen müssen sich also sehr genau überlegen, wie sie das Crowdfunding einsetzen oder ob sie es nicht sogar anonym machen.

Fazit

Es ist gleich, ob man sich als Unternehmen oder als Selbstständiger für Crowdfunding interessiert, denn die Fragen, bevor man ein Projekt „crowdfundet“ bleiben in beiden Fällen dieselben.

Dazu gehören unter anderem: Welche Plattform ist geeignet für mein Projekt? Ist die Plattform für meine User einfach zu bedienen? Das heißt genauer: Können sie leicht überweisen? Und wie schütze ich meine Produktidee vor Raubkopierern bevor sie auf den Markt kommt? Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Fragen, die auf einen zukommen, wenn man sich mit Crowdfunding beschäftigt.

Eine intensive Auseinandersetzung mit den verschiedenen Plattformen und auch ein Vergleich zu herkömmlichen Finanzierungsmodellen von der Bank, sind in jedem Fall unerlässlich.

Ganz so einfach und leicht ist es mit dem Crowdfunding also leider auch nicht. Aber die Crowd ist zumindest ein Investor, der nicht zu konservativ denkt, sich auch mit neuen Ideen schneller anfreundet und bereit ist, dafür Geld zu zahlen.