Wie oft haben Sie schon gedacht: „Früher war alles besser!”? Egal, ob es um die Preise für eine Kugel Eis geht oder das Versenden von Liebesbriefen an die Auserwählte – so mancher wünscht sich die alten Zeiten zurück. Ich glaube, dass auch viele Unternehmen das hin und wieder tun. Das gilt zum Beispiel für die eigene Zielgruppenanalyse.

Wo früher nach ganz klassischen Typen à la „Hausfrauen“, „Handwerker“ oder „Akademiker“ unterschieden wurde, macht Ihnen heute die fortschreitende Individualisierung einen Strich durch die Rechnung. Natürlich können Sie sich an die harten Fakten halten: Geschlecht, Alter, Einkommen. Doch wie aussagekräftig sind diese Daten noch?

Stefan Bischoff ist Geschäftsführer von MAS Partners. Diese begleiten Entscheider im Bereich der Marktforschung bei der strategischen Entwicklung ihrer Marken und unterstützt sie bei der Erreichung ihrer Ziele. Er hat sich genau über diese Fragestellungen Gedanken gemacht und ein Modell entworfen, bei dem die Wertevorstellungen der Zielgruppe in den Fokus gerückt werden:

Herr Bischoff, können Sie uns kurz erklären, warum es aus Ihrer Sicht Sinn macht, die eigene Zielgruppe auch auf Wertevorstellungen zu untersuchen?

Stefan Bischoff ist Geschäftsführer von MAS Partners und hat ein Modell für Zielgruppen entworfen. Foto: Stefan Bischoff

Stefan Bischoff ist Geschäftsführer von MAS Partners und hat ein Modell für Zielgruppen entworfen. Foto: Stefan Bischoff

Stefan Bischoff: „Eine Zielgruppe ist eine Gruppe von Menschen, die sich hinsichtlich ihrer Bedürfnisse ähneln. Diese Bedürfnisse hängen direkt von den Wertvorstellungen der Menschen ab. Werte beschreiben, was für einen Menschen von grundlegender Bedeutung ist. Sie bilden somit einen wesentlichen Teil der Identität eines Menschen. Versuchen Sie nun, die Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe an demographischen und sozioökonomischen Merkmalen festzumachen, werden Sie oftmals keine guten Ergebnisse erhalten. Diese Kriterien zur Zielgruppenbildung reichen häufig nicht aus, um die unterschiedlichen Zielgruppen trennscharf voneinander abzugrenzen.

Stellen Sie sich folgende Beschreibung Ihrer Zielgruppe vor: Engländer, hohes Alter, verheiratet, gute Bildung und hohes Einkommen. Damit können Sie die Bedürfnisse Ihrer Kunden hinreichend einschätzen, richtig? Falsch. Diese soziodemographischen Merkmale stammen aus einem häufig zitierten Beispiel und beschreiben Prinz Charles und Ozzy Osbourne. In einer entsprechenden Untersuchung, die ausschließlich soziodemographische Kriterien zugrunde legt, würden beide Personen der gleichen Zielgruppe zugeordnet. Dies wäre jedoch ein Fehler, da sie ganz offensichtlich unterschiedliche Interessen und Vorlieben haben. Die beiden angesprochenen Personen sind kein Einzelfall, sondern stehen beispielhaft für eine große Anzahl an Menschen. Der wertebezogene Ansatz von unserem Markenmodell MAS Brand+ bietet eine Lösung für dieses Problem. Dabei werden die Werte der Menschen und die Markenwerte gleichermaßen erfasst und auf einen Nenner gebracht. Die realen Bedürfnisse der Menschen rücken in den Fokus.“

Basiert dieser Ansatz auf bereits bekannten Modellen oder Theorien aus den Bereichen Marketing/Marktforschung?

Stefan Bischoff: „Viele kennen den einen oder anderen wertebasierten Ansatz zur Clusterung der Zielgruppen. Dazu zählen unter anderem die Sinus-Milieus des Sinus-Instituts sowie die Limbic Map von Hans-Georg Häusel. Besonders interessant ist auch das Wertemodell von Shalom Schwartz, an das unser Modell angelehnt ist. Schwartz hat ein aktuelles, allgemein anerkanntes Modell entwickelt, das aus zehn Wertetypen besteht. Im Gegensatz zu bisherigen Ansätzen betrachtet MAS Brand+ aber sowohl die Werte der Menschen, als auch die der Marke. Erst diese umfassende Betrachtung ermöglicht eine präzise Entscheidungsgrundlage.“

Könnte man durch die Untersuchung der Wertevorstellung also noch mehr Aufschluss über den Lebensstil und die Interessen der Zielgruppe erhalten? Denken Sie, dass sich daraus wiederum ein gewisses Kaufverhalten ableiten lässt?

Stefan Bischoff: „Auf jeden Fall! Durch die Auswertung soziodemographischer Merkmale wie Alter oder Einkommen können nur Vermutungen über den Lebensstil und die Interessen der Zielgruppe angestellt werden. Schon die Bildung der Zielgruppen ist auf dieser Grundlage problematisch. Um es drastisch zu formulieren: Eine verlässliche Aussage über die Interessen der Zielgruppe lässt sich auf Basis der soziodemographischen Merkmale nicht treffen.

Erst mithilfe von Wertvorstellungen können derartige Erkenntnisse gewonnen werden. Diese Erfahrung konnten wir bereits in vielen Projekten aus den Bereichen Automotive, Medien, Agenturen und Versicherungen nachweisen. Werte sind der Motor für jede Entscheidung und das gesamte menschliche Verhalten. Daher sind sie auch für das Kaufverhalten elementar. Aufgrund der höheren Informationsdichte und der realistischeren Bewertung der Zielgruppen kann mithilfe der Wertvorstellungen ein sehr viel genaueres und differenzierteres Kaufverhalten unterstellt werden. Neben dem tatsächlichen Kaufverhalten können so auch Potenziale entdeckt und gehoben werden.“

In diesem Zusammenhang spielt auch das Image des Unternehmens bzw. der Marke eine Rolle? Wie kann man diese Auswertungen zusammenbringen und welche Schlüsse können Unternehmen daraus ableiten?

Stefan Bischoff: „Unser Modell liefert nicht nur Antworten auf die Frage, wer die eigenen Zielgruppen sind, sondern auch, wie diese meine Marke wahrnehmen. Was für Menschen gilt, gilt auch für Marken. Menschen und Marken definieren sich über dieselben, im Modell berücksichtigten Werte. Nur wer die Persönlichkeit seiner Marke genau kennt, kann sie gestalten. Und nur wer die Persönlichkeit seiner Kunden kennt, weiß, wo er seine Kunden findet und wie er die Marke kommunizieren muss. Dabei unterscheiden sich häufig die eigene Sicht auf die Marke und die Kundenwahrnehmung.

Durch unseren Ansatz werden beide Blickwinkel berücksichtigt und zusammengeführt. Die Kommunikation und die Zielgruppenansprache können so gezielt auf die Markenpersönlichkeit ausgerichtet werden. Das muss nicht heißen, dass Kunden und Marke exakt dieselben Wertausprägungen haben müssen. Vielmehr ist die Konfiguration von der Strategie und den Zielen abhängig. Versicherungsunternehmen bilden etwa ein plakatives Beispiel. Ein hedonistischer, selbstbestimmter Mensch kann durchaus eine Versicherung wählen, die mit Sicherheit und Tradition assoziiert wird. Die Wertvorstellungen von Mensch und Marke sind in diesem Fall nicht deckungsgleich und trotzdem zueinander passend. Welche Werte zusammenpassen, wissen wir aus jahrelanger Erfahrung.“

Könnte diese Art der Untersuchung auch eine zukünftige Produktentwicklung vorantreiben?

Stefan Bischoff: „Die Marktforschung ist natürlich ein ganz besonders wichtiger Bestandteil der Produktentwicklung. Durch den Einsatz von Marktforschungsinstrumenten wird bei einer Neuentwicklung geprüft, welches Potenzial der Markt bietet, wer die potenziellen Kunden sind und durch welche Vermarktungsstrategie diese erreicht werden können. Dabei ist die Genauigkeit und Verlässlichkeit der Ergebnisse aus den Marktforschungsinstrumenten von essenzieller Bedeutung für die Strategiebildung und somit auch für den Erfolg des Produktes. Da MAS Brand+ bei eben jener Genauigkeit der Aussagen ganz neue Blickwinkel auf das Verhältnis von Marken und Zielgruppen bietet, können auf dessen Grundlage sowohl neue Produkte entwickelt werden wie auch alteingesessene Marken maßgeblich von dem Modell profitieren.“

Wie genau läuft die Marktforschung bei so einer Untersuchung ab?

Stefan Bischoff: „Bei unserem Modell handelt es sich um einen befragungsbasierten Ansatz, der oft in Kombination mit der Marktforschung zum Einsatz kommt. Dabei handelt es sich nicht um ein riesiges, aufwändiges Instrument, sondern um eine schlanke und schlagkräftige Befragung auf den Punkt. Alles passiert in Abstimmung mit unserem Kunden. Dies gilt besonders für die Vorbereitung und Konzeption. Doch auch mit den Ergebnissen lassen wir niemanden allein. Für die darauffolgende Umsetzung stehen wir unseren Kunden in Workshops als Partner zur Seite.“

Können Sie mir verraten, wie viel man für so eine Untersuchung ungefähr investieren muss? Ist dieser Forschungsansatz auch für KMU erschwinglich?

Stefan Bischoff: „Lassen Sie mich mit einer Gegenfrage antworten: Würden Sie in ein Marketingtool investieren, das die Zielgruppen realitätsgetreu abbildet, deren Interessen und Bedürfnisse detailliert offenlegt, die Werte der eigene Marke zu verstehen hilft und all diese Informationen in eine entscheiderrelevante Strategie zur Kundenkommunikation übersetzt? Ich glaube schon. In jedem Fall ist unser Modell auch und besonders für kleine und mittelständische Unternehmen geeignet. Ein Großteil unseres Kundenstamms zählt zu diesem Bereich.“

Natürlich ist es meist situationsbedingt zu beurteilen, ob dieser Ansatz der Marktforschung für ein Unternehmen Sinn macht. Können Sie uns trotzdem sagen, wem Sie diesen Ansatz empfehlen würden?

Stefan Bischoff: „Das Modell ist auf jedes Unternehmen anwendbar, das seine Marke an eine bestimmte Zielgruppe richtet und mit dieser kommunizieren will. Aber auch die Innenwahrnehmung durch die Mitarbeiter des Unternehmens bietet interessante Anwendungsmöglichkeiten – beispielsweise unter dem Stichwort Employer Branding. So können mit MAS Brand+ mithilfe von Wertvorstellungen die richtigen Mitarbeiter für die Marke gefunden werden. Sie sehen, das Tool kann sehr vielfältig eingesetzt werden. Es ist für alle gedacht, die ihre Marke nach vorn bringen wollen. Mit anderen Worten: So gut wie jedes Unternehmen.“

Vielen Dank für das informative Gespräch!

Neben der Definition der eigenen Zielgruppe spielt also auch die Marke des Unternehmens eine entscheidende Rolle. Diese sollte auf die Zielgruppe abgestimmt sein. Doch Achtung, die Wahrnehmung der eigenen Marke unterscheidet sich häufig von der Wahrnehmung der Kunden.

Ich denke, dass Unternehmen beide Faktoren regelmäßig überprüfen sollten, um auch langfristig das Unternehmen und die eigenen Produkte weiter voranzutreiben. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, es lohnt sich, wenn man sich bei jeder noch so kleinen Entscheidung fragt: Für wen mache ich das eigentlich? Wer ist meine Zielgruppe und kommt das bei ihr gut an? Marktforschungsmodelle wie der im Interview vorgestellte Ansatz können dabei unterstützen.