Wenn einige Unternehmen das Wort „Social Media-Strategie“ hören, ist dies nach meiner Erfahrung für sie gleichbedeutend mit einer Erinnerung daran, endlich die eigenen Postings auf Facebook zu strukturieren und nach einem Redaktionsplan zu veröffentlichen. Dabei ist es so viel bedeutender.

Gerade die digitalen Kommunikationskanäle bieten nicht nur einen direkten Draht zum Kunden, sondern entwickeln sich auch rasant. Beides sind große Chancen – und wer nicht spätestens sofort einsteigt, wird irgendwann in Zukunft der Konkurrenz hinterherhinken – und baut sich damit selbst unnötige Hürden.

Das sieht auch Dominik Ruisinger. Der PR-Berater beschäftigt sich seit den 90er Jahren mit den Veränderungen in der Medien- und Kommunikationsbranche. Im Marketing im Pott-Interview spricht er über Chancen für in lokalen und regionalen Märkten tätige Firmen.

Für viele Unternehmen bedeutet Social Media-Strategie, die Postings auf Facebook durchzuplanen. Was verstehen Sie darunter?

Dominik Ruisinger: „Das ist eine sehr umfassende Frage, die ich aus Beratungen und Trainings gut kenne. Grundsätzlich liegt das Problem darin, dass viele Menschen heute unter dem Oberbegriff Social Media vor allem Facebook verstehen bzw. beide Begriffe praktisch gleichsetzen. Wenn sie dann ihre Facebook-Seite erstellt und vielleicht erste Erfolge erzielt haben, sprechen sie von einer Social Media-Strategie. Dabei hat eine Strategie eigentlich die Aufgabe, erst einmal herauszufinden, ob Facebook überhaupt das richtige Instrument ist. Denn Facebook ist sicherlich nicht bei allen Fragen die passende Antwort.

Das bedeutet: Eine Social Media-Strategie beginnt erst einmal mit einer grundlegenden Ausgangsanalyse von Unternehmen, Kommunikationsaktivitäten, Ressourcen, Offenheit gegenüber Social Media, Mitbewerbern etc. Dabei kommt es ganz entscheidend darauf an, dass solch eine Analyse immer ergebnisoffen geführt wird. Sie könnte durchaus auch zum Ergebnis führen, dass ein E-Mail-Newsletter, eine SEO-Strategie viel zielführender als der Aufbau oder Ausbau etwaiger Social Media-Aktivitäten ist. Als nächsten Schritt sind dann Ziele und Zielgruppen zu definieren, ist das Unternehmen mit einer klaren Aussage nach innen wie nach außen zu positionieren und ist auf dieser Basis eine Content Strategie zu entwickeln, die zum Schluss wieder zu evaluieren ist. Genau diese Schritte beschreibe ich ja detailliert in meinem neuen Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie“.“

Wie nutzen Sie selbst die sozialen Netzwerke?

Dominik Ruisinger: „Es gibt Netzwerke, die ich für persönliche Themen und zu rein privaten Zielen nutze, und andere, in denen ich mich beruflich mit vielen Freunden, Kollegen oder auch teils noch Unbekannten austausche. Wer mir beispielsweise auf Facebook oder Instagram folgt, wird – abgesehen von der Verbreitung eigener Blog-Beiträge – kaum berufliche Themen dort finden. Auf Xing, LinkedIn, Twitter, Google+ oder auch Pinterest stehen dagegen fachliche Themen im Vordergrund, wie natürlich auch in meinem eigenen Blog. Gleichzeitig beobachte ich, dass sich mein Nutzungsverhalten in den letzten Jahren – weg vom vielen Posten, hin zum stärkeren Beobachten und zur Kommunikation innerhalb immer kleinerer Micro-Gruppen – geändert hat. Und mit dieser Fokus-Verschiebung hin zum Privaten liege ich heute ziemlich im Trend, wie viele Studien zeigen.“

Das Internet ist weltweit erreichbar. Welche Chancen haben lokale und regional tätige Firmen, ihr(e) Produkt(e) dort zu vermarkten?

Dominik Ruisinger: „Weltweite Erreichbarkeit auf der einen Seite und lokale bzw. regionale Unternehmen auf der anderen Seite – das ist für mich keineswegs ein Widerspruch. Nehmen wir ein ganz einfaches Beispiel: Wenn Sie nach einem neuen Restaurant in Ihrer eigenen Stadt suchen, dann orientieren Sie sich wahrscheinlich an Bewertungen auf Foursquare, Yelp, Tripadvisor oder direkt auf Google. Das sind alles weltweite Anbieter. Wenn ein Restaurant dort nicht präsent ist, werden Sie es nicht finden und nicht in Betracht ziehen. Es existiert in Ihrem Kopf quasi nicht. Das Beispiel ließe sich problemlos auf viele andere Produkte übertragen. Das soll zeigen, wie stark heute lokal, regional, international miteinander vernetzt ist und warum es gerade für lokale und regionale Anbieter entscheidend darauf ankommt, dort präsent und sichtbar zu sein. Ansonsten werden sie von neuen Kunden nicht mehr gefunden werden und bei vielen bestehenden in Vergessenheit geraten.“

Die großen Player unter den Plattformen ändern ihre Algorithmen fortlaufend und führen beinahe täglich neue Funktionen ein. Beispiel Instagram: Hier beherrschen die „Stories“ vom einen auf den anderen Tag plötzlich aus Snapchat bekannte Filter. Wie können Unternehmen solche Neuerungen für sich nutzen?

Dominik Ruisinger: „In den letzten Monaten ist wirklich zu beobachten, dass alle Social Media–Plattformen irgendwie alles anbieten wollen: Alle bieten Live-Übertragungen, alle liefern Stories, bei allen verschwinden die Beiträge irgendwann; und alle stärken zudem den Private Messaging Bereich weiter, wie es Facebook zum Beispiel gerade auch mit der Aufwertung der Gruppen macht. Eine hübsche Grafik auf der News-Seite recode trägt daher völlig berechtigt den Titel „Copy Cats“.

"Copy Cats": Die sozialen Netzwerke nähern sich im Funktionsumfang immer mehr einander an. Grafik: Marketing im Pott

“Copy Cats”: Die sozialen Netzwerke nähern sich im Funktionsumfang immer mehr einander an. Grafik: Marketing im Pott

Die große Herausforderung für Unternehmen in diesem Kontext heißt „Community Building“. Letztendlich kommt es nicht darauf an, ob sie auf allen Kanälen gleich aktiv sind; oder welcher Kanal gerade besonders stark angesagt ist. Entscheidend ist, ob es ihnen gelingt, in den Kanälen eine eigene Community aufzubauen, die ihre Beiträge wiederum als Multiplikatoren in ihre eigenen Kanäle weiterträgt – und dies natürlich stets abgestimmt mit der Kommunikationsstrategie. Ohne Community werden die eigenen Inhalte wirkungslos verpuffen – unabhängig davon, ob wir jetzt von Instagram, Snapchat, Pinterest oder beispielsweise YouTube sprechen. Dass die Vernetzung und der Aufbau einer Community auf Instagram im Vergleich zu Snapchat gerade durch die Eingliederung ins Facebook-Universum deutlich einfacher ist, hat sicherlich den Trend hin zu Instagram befeuert. Hier darf man wirklich gespannt sein, wie das Wettrennen der Social Media-Plattform-Anbieter weitergeht. Es bleibt auf jeden Fall spannend.“

Eine aktive Community als Ziel

„Instagram wirkt jung, frisch und dynamisch? Machen wir! Snapchat, das mit hippen Filtern eine junge Zielgruppe anspricht? Machen wir jetzt auch!“ Genau diese Denkweise muss der Vergangenheit angehören. Um wirklich erfolgreich zu netzwerken kommt es nicht auf möglichst viele Netzwerke an, in denen Ihr Unternehmen aktiv ist. Am Ende zählt, sich eine aktive Community aufzubauen. Im besten Fall stehen Zielgruppenanalyse und Positionierung ganz am Anfang dieses Prozesses – und daraus resultierend die Entscheidung, in welche Kanäle investiert wird.

Im zweiten Teil des Interviews spreche ich mit Dominik Ruisinger über den Mythos Google+, hilfreiche Social Media-Tools und den Appell der “Digitalen Kommunikationsstrategie”. Schon jetzt freue ich mich über Ihre Gedanken hier im Kommentarfeld.